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chüler zum
F
reund
ieber Johny,
am 7. September 1971 legte ich als
Dein Klassenlehrer den Schülerbogen
„Bauch Magnus“ an. Du kamst von der
Handelsschule Kermess mit der „Mittle-
ren Reife“ ausgestattet: Ein
Schulabschluss, der bei den
Metzgern zu den Ausnah-
men gehörte. Dies war auch
die Voraussetzung für eine
zweijährige Ausbildung und
die Einschulung in die zweite
Klasse, damals in die „2a“.
Du warst mein Herzeige- und
Musterschüler und mir sei es
auch erlaubt, Dein Zeugnis in
diesem Schreiben wiederzu-
geben: Fleiß 1, Betragen 1 –
ein Verhalten, das heute
noch nicht einmal mehr im
Zeugnis Erwähnung findet, so vernach-
lässigbar scheint es geworden zu sein.
Wie ich meine, ist es an der Zeit, alten
Werten wie Disziplin und Höflichkeit,
Arbeitseifer und Ernsthaftigkeit wieder
eine angemessene Bedeutung zuzuwei-
sen. Gutes Benehmen, Wissens- wie
Herzensbildung müssen nach wie vor
nicht nur konsequent erlernt werden, es
muss auch klar sein, dass ihr Fehlen
Konsequenzen hat, und das nicht nur im
privaten Umgang, sondern insgesamt in
der Gesellschaft. In der Fachkunde hast
Du die beachtliche Note
„gut“ erworben. Eine große
Leistung, musstest Du
doch den Stoff der ersten
Klasse komplett nachler-
nen. Die Note „sehr gut“ ist
in folgenden Fächern zu fin-
den: Religionslehre, Deut-
sche Sprache, Gemein-
schaftskunde, Rechnen,
Praktische Fachkunde und
Fleischtechnologie. Das
Fach Fleischtechnologie
war damals einmalig in der
Bundesrepublik Deutsch-
land. Unser damaliger Direktor Hans
Grohmann ließ mir bei der Umsetzung
dieses Faches freie Hand. Es war die
Geburtsstunde einer von München aus-
gehenden fachlichen Revolution:
An Lehrlinge wurde Wissen vermittelt,
von dem die meisten Metzgermeister nie
gehört hatten.
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ein persönlicher Brief des Oberstudiendirektors
Günther Bitterwolf von der Städtischen berufsschule
für das hotel-, gaststätten- und braugewerbe
Günther Bitterwolf